Der Schutzpanzer: Woher kommt er und wie wird man ihn los?

Den Schutzpanzer abzulegen, erfordert Mut und Entschlossenheit, denn wir geben etwas auf, was uns lange Zeit Sicherheit gab.
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Jeder von uns trägt ihn mit sich herum, diesen unsichtbaren Schutzpanzer, der uns durch die Höhen und Tiefen des Lebens begleitet. Er entsteht oft in der Kindheit, entwickelt sich weiter, schützt uns vor emotionalem Schmerz und kann uns später im Leben vor Herausforderungen stellen. 

In diesem Artikel will ich darauf eingehen,

  • wie dieser Schutzpanzer entsteht,
  • warum wir ihn brauchen,
  • wann er zur Belastung wird
  • und wie wir ihn wieder ablegen können.

Woher kommt der Schutzpanzer?

Die Anfänge in der Kindheit

Unsere ersten Erfahrungen mit emotionalem Schmerz und Ablehnung prägen uns zutiefst. Als Kinder sind wir besonders verletzlich und abhängig von der Fürsorge unserer Bezugspersonen. Wenn wir in dieser Phase nicht die notwendige emotionale Unterstützung erhalten, beginnen wir, Abwehrmechanismen zu entwickeln. Diese Mechanismen dienen dazu, uns vor weiteren Verletzungen zu schützen.

Schon ein einfaches Beispiel kann das verdeutlichen: Stell dir ein Kind vor, das in der Schule gehänselt wird. Wenn Dieses Kind wird schnell lernen, sich emotional zurückzuziehen, um den Schmerz der Ablehnung nicht so stark zu spüren. Diese Reaktion ist ein Schutzmechanismus, der sich mit der Zeit zu einem festen Bestandteil seiner Persönlichkeit entwickeln kann.

Die Rolle der Bindungstheorie

Die Bindungstheorie nach John Bowlby erklärt, wie entscheidend sichere Bindungen in der Kindheit für unsere emotionale Entwicklung sind. Kinder, die eine sichere Bindung zu ihren Eltern oder Betreuern haben, fühlen sich geliebt und wertgeschätzt. Diese Kinder entwickeln ein gesundes Selbstbewusstsein und sind weniger anfällig für die Bildung eines starken Schutzpanzers.

Anders sieht es bei Kindern aus, die unsichere oder desorganisierte Bindungen erleben. Diese Kinder erfahren keine verlässliche Unterstützung und Geborgenheit, was dazu führt, dass sie Abwehrmechanismen entwickeln, um sich selbst zu schützen. Sie lernen, ihre Gefühle zu verdrängen, zu rationalisieren oder sich emotional zurückzuziehen.

Was sind Vor- und Nachteile eines Schutzpanzers?

Ein Schutzpanzer ist ein wichtiges und nützliches Werkzeug, das uns vor emotionalem Schmerz schützen soll. Doch wenn er zu stark wird, kann er uns daran hindern, das Leben voll auszukosten. Er kann uns von echten Beziehungen abhalten, unsere Fähigkeit zur emotionalen Ausdrucksfähigkeit einschränken, unser Wachstum behindern, unsere Selbstwahrnehmung negativ beeinflussen und uns in die Isolation treiben.

Wofür ist er gut?

Der Hauptgrund, warum wir uns einen Schutzpanzer zulegen, ist der Schutz vor emotionalem Schmerz. Emotionale Schmerzen können überwältigend sein und unser tägliches Leben stark beeinträchtigen. Ein Schutzpanzer fungiert als Puffer, der uns hilft, diese Schmerzen abzufedern und uns in schwierigen Zeiten emotional stabil zu halten.

Beispiel:
Stell dir vor, du hast in deiner Kindheit oft Ablehnung erfahren, vielleicht durch Mobbing oder das Gefühl, nicht akzeptiert zu werden. Diese Erfahrungen hinterlassen tiefe Wunden. Um sich vor ähnlichen Schmerzen zu schützen, entwickelt dein inneres Selbst einen Schutzmechanismus. Dieser Panzer hilft dir, in Situationen, die dich an die alten Wunden erinnern könnten, emotional distanziert und stabil zu bleiben.

Traumatische Erlebnisse können tiefe Narben in unserer Psyche hinterlassen. Ein Schutzpanzer kann dabei helfen, diese Narben zu verdecken und uns den Alltag bewältigen zu lassen, ohne ständig von den Erinnerungen an das Trauma überwältigt zu werden.

Beispiel:
Jemand, der als Kind Missbrauch erlebt hat, entwickelt möglicherweise starke Abwehrmechanismen, um den Schmerz und die Angst zu bewältigen. Dieser Schutzpanzer hilft dem Betroffenen, die traumatischen Erlebnisse in den Hintergrund zu drängen und sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Ohne diesen Schutz wäre das tägliche Leben für viele Traumaopfer unerträglich.

Ein Schutzpanzer kann auch dazu beitragen, unsere psychische Stabilität zu bewahren, indem er uns vor zu vielen negativen Emotionen schützt. In stressigen oder konfliktreichen Situationen kann er uns helfen, ruhig und gesammelt zu bleiben, anstatt in Panik oder Verzweiflung zu geraten.

Beispiel:
In einer stressigen Arbeitssituation, in der du ständig Kritik und hohe Erwartungen erfährst, kann ein Schutzpanzer verhindern, dass du emotional zusammenbrichst. Er ermöglicht es dir, professionell zu bleiben und deine Aufgaben zu erledigen, ohne dich von den negativen Gefühlen überwältigen zu lassen.

In Zeiten persönlicher Krisen, wie bei einem Verlust, einer Trennung oder anderen schweren Schicksalsschlägen, hilft uns der Schutzpanzer, die ersten schwierigen Phasen zu überstehen. Er gibt uns die emotionale Distanz, die wir benötigen, um Schritt für Schritt voranzukommen und uns nicht völlig in der Trauer oder dem Schmerz zu verlieren.

Beispiel:
Nach dem Verlust eines geliebten Menschen kann ein Schutzpanzer dafür sorgen, dass du dich emotional nicht komplett verschließt, sondern funktionierst und die notwendigen Schritte zur Trauerbewältigung einleiten kannst. Er hilft dir, den Alltag zu meistern, obwohl der Schmerz tief sitzt.

Ein gut entwickelter Schutzpanzer kann auch zur Resilienz beitragen – unserer Fähigkeit, nach schwierigen Erfahrungen wieder aufzustehen und weiterzumachen. Er gibt uns die Kraft, uns nach Rückschlägen wieder zu erholen und uns nicht dauerhaft von negativen Erlebnissen lähmen zu lassen.

Beispiel:
Wenn du nach einem schweren beruflichen Misserfolg wieder neuen Mut fasst und dich erneut Herausforderungen stellst, zeigt sich hier die positive Seite deines Schutzpanzers. Er hat dir geholfen, den ersten Schock zu überstehen und deine innere Stärke wiederzufinden.

Wann ist er problematisch?

Eine der gravierendsten Folgen eines zu starken Schutzpanzers ist die Unfähigkeit, echte Nähe und Intimität zu erleben. Der Schutzmechanismus, der uns vor Verletzungen bewahren soll, kann gleichzeitig eine Barriere zwischen uns und anderen Menschen aufbauen. Diese Barriere hält nicht nur negative Erfahrungen fern, sondern blockiert auch positive, verbindende Emotionen wie Liebe und Vertrauen.

Beispiel:
Stell dir vor, du bist in einer Beziehung, aber du traust dich nicht, dich deinem Partner oder deiner Partnerin vollständig zu öffnen. Du hast Angst, verletzt oder abgelehnt zu werden, also hältst du deine wahren Gefühle zurück. Dein Schutzpanzer verhindert, dass du dich verletzlich zeigst und eine tiefere emotionale Bindung eingehst. Dies kann zu Missverständnissen, emotionaler Distanz und schließlich zum Scheitern der Beziehung führen.

Ein weiterer problematischer Aspekt eines starken Schutzpanzers ist die Einschränkung der emotionalen Ausdrucksfähigkeit. Wenn wir uns ständig schützen, fällt es uns schwer, unsere Gefühle überhaupt wahrzunehmen, geschweige denn, sie auszudrücken. Dies führt oft dazu, dass wir uns emotional abgekapselt fühlen, was langfristig zu inneren Spannungen und psychischen Problemen führen kann.

Beispiel:
Angenommen, du erlebst eine stressige Phase in deinem Leben. Anstatt deine Sorgen und Ängste mit jemandem zu teilen, hältst du alles in dir. Dein Schutzpanzer hindert dich daran, über deine Gefühle zu sprechen, weil du glaubst, dass du stark sein musst oder niemand deine Sorgen hören will. Diese emotionale Isolation kann zu verstärktem Stress, Angstzuständen und sogar Depressionen führen.

Ein Schutzpanzer kann uns auch dazu bringen, Konfrontationen und Herausforderungen aus dem Weg zu gehen. Wir möchten uns nicht mit unangenehmen Gefühlen oder Situationen auseinandersetzen, also ziehen wir uns zurück oder vermeiden es, Risiken einzugehen. Auf lange Sicht hindert uns dies daran, uns weiterzuentwickeln und aus unseren Erfahrungen zu lernen.

Beispiel:
Vielleicht hast du die Möglichkeit, in deinem Job eine neue, anspruchsvolle Position zu übernehmen, aber du zögerst, weil du Angst hast, zu scheitern oder Kritik zu erfahren. Dein Schutzpanzer flüstert dir zu, dass es sicherer ist, in deiner aktuellen, komfortablen Position zu bleiben, auch wenn du dich dort nicht mehr gefordert fühlst. Durch diese Vermeidung verpasst du die Chance, deine Fähigkeiten zu erweitern und beruflich zu wachsen.

Ein Schutzpanzer kann unsere Selbstwahrnehmung verzerren und uns dazu bringen, uns selbst als schwach oder unzulänglich wahrzunehmen. Wenn wir ständig in Abwehrhaltung sind, weil wir glauben, dass wir uns schützen müssen, entwickeln wir möglicherweise ein negatives Selbstbild. Wir beginnen zu denken, dass wir ohne diesen Schutz nicht stark genug sind, um den Herausforderungen des Lebens zu begegnen.

Beispiel:
Wenn du beispielsweise in einer sozialen Situation immer das Gefühl hast, dass du nicht gut genug bist oder dass die anderen dich nicht mögen könnten, greift dein Schutzpanzer ein. Er verhindert, dass du dich frei und authentisch verhältst. Diese ständige Selbstkritik und das Gefühl, dass du dich ständig schützen musst, können dein Selbstwertgefühl erheblich beeinträchtigen.

Ein weiterer gravierender Nachteil eines zu starken Schutzpanzers ist, dass er uns in die Isolation treiben kann. Wenn wir uns emotional abschotten, um nicht verletzt zu werden, riskieren wir, dass wir uns von anderen Menschen entfremden. Die Angst vor Verletzungen führt dazu, dass wir weniger soziale Kontakte pflegen, was uns auf Dauer einsam und isoliert fühlen lässt.

Beispiel:
Vielleicht hast du in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen mit Freundschaften gemacht und hast nun Angst, dich auf neue Menschen einzulassen. Dein Schutzpanzer hält dich davon ab, neue Freundschaften zu schließen, weil du dich davor schützen möchtest, erneut enttäuscht zu werden. Mit der Zeit könntest du feststellen, dass du immer weniger soziale Interaktionen hast und dich zunehmend allein fühlst.

Wie werden wir den Schutzpanzer wieder los?

Der erste Schritt, um den Schutzpanzer abzulegen, ist das Bewusstwerden seiner Existenz und der zugrunde liegenden Gründe. Selbstreflexion und das Führen eines Tagebuchs können helfen, Muster und Ursachen zu erkennen. Professionelle Unterstützung durch eine Therapie kann ebenfalls hilfreich sein, um alte Wunden zu heilen und gesündere Bewältigungsstrategien zu entwickeln. In der Therapie lernen wir, unsere Gefühle besser zu verstehen und zu akzeptieren, was uns dabei unterstützt, den Panzer schrittweise abzubauen.

Zusätzlich ist es wichtig, sichere Bindungen aufzubauen und sich in vertrauensvollen Beziehungen zu öffnen. Emotionale Sicherheit und Unterstützung von Freunden und Familie sind entscheidend, um den Schutzpanzer abzulegen. Weitere hilfreiche Strategien sind Achtsamkeit und Meditation, die das Bewusstsein für den gegenwärtigen Moment fördern, sowie kreative Ausdrucksformen wie Tagebuchschreiben oder Kunsttherapie, um Emotionen auf gesunde Weise zu verarbeiten. Soziale Netzwerke und Selbstmitgefühl spielen ebenfalls eine zentrale Rolle, um emotionales Wohlbefinden zu stärken und den Schutzpanzer loszuwerden.

Alternative Möglichkeiten, mit Verletzungen und Kränkungen umzugehen

  • Achtsamkeit und Meditation: Diese Praktiken helfen, einen gesunden Umgang mit Emotionen zu entwickeln. Sie fördern das Bewusstsein für den gegenwärtigen Moment und ermöglichen es uns, unsere Gefühle zu beobachten, ohne von ihnen überwältigt zu werden. Regelmäßige Achtsamkeitsübungen unterstützen uns dabei, unsere Emotionen zu akzeptieren und zu verstehen.

  • Emotionale Ausdrucksfähigkeit: Techniken wie Tagebuchschreiben, Kunsttherapie oder kreative Schreibübungen können helfen, Gefühle auf gesunde Weise zu verarbeiten und auszudrücken. Diese kreativen Prozesse ermöglichen es uns, unsere inneren Gefühle zu erkunden und auf eine Art und Weise zu verarbeiten, die den Schutzpanzer allmählich abbaut.

  • Soziale Unterstützung und Netzwerke: Der Austausch mit vertrauten Freunden und Familie kann eine wichtige Unterstützung bieten, um Verletzungen und Kränkungen zu verarbeiten. Soziale Netzwerke bieten emotionale Rückendeckung und helfen uns, Perspektiven zu gewinnen und Lösungen zu finden. Ein starkes soziales Netzwerk gibt uns das Gefühl von Sicherheit und Unterstützung, was das Ablegen des Schutzpanzers erleichtert.

  • Selbstmitgefühl und Selbstfürsorge: Diese sind essentielle Bestandteile eines gesunden Umgangs mit emotionalen Schmerzen. Indem wir uns selbst Mitgefühl und Verständnis entgegenbringen, lernen wir, unsere Gefühle zu akzeptieren und uns selbst in schwierigen Zeiten zu unterstützen. Selbstmitgefühl bedeutet, freundlich und verständnisvoll mit sich selbst umzugehen, besonders in Momenten der Schwäche oder des Versagens. Diese Haltung hilft, den Schutzpanzer abzulegen und eine tiefere emotionale Heilung zu erfahren.

Zusammenfassung

Der Schutzpanzer, den wir im Laufe unseres Lebens entwickeln, ist ein wichtiges Instrument, um mit emotionalen Schmerzen und Traumata umzugehen. Er bietet Schutz und hilft uns, schwierige Situationen zu bewältigen. Doch wenn er zu stark wird, kann er uns daran hindern, authentische Beziehungen zu erleben und unsere Emotionen auf gesunde Weise auszudrücken.

Indem wir uns unserer Abwehrmechanismen bewusst werden, professionelle Hilfe in Anspruch nehmen und sichere Bindungen aufbauen, können wir lernen, unseren Schutzpanzer abzulegen. Alternative Strategien wie Achtsamkeit, emotionale Ausdrucksfähigkeit und Selbstmitgefühl bieten zusätzliche Unterstützung, um angemessen mit Verletzungen und Kränkungen umzugehen. So können wir ein erfüllteres und authentischeres Leben führen, frei von den Beschränkungen eines übermäßigen Schutzpanzers.

Der Weg, den Schutzpanzer abzulegen, ist nicht einfach und erfordert Mut und Entschlossenheit. Doch die Belohnung ist ein Leben voller echter Nähe, emotionaler Freiheit und innerer Ausgeglichenheit. Lass uns diesen Weg gemeinsam gehen und den Schutzpanzer, der uns einst diente, Stück für Stück ablegen, um das volle Potenzial unseres emotionalen Erlebens zu entfalten.

Gerne unterstütze ich dabei!

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