🐢 Wie überwindet man Prokrastination? 🐌

Es gibt gute Gründe, Dinge aufzuschieben. Wenn es chronisch wird, wir und unsere Ziele darunter leiden, dann wird es Zeit, etwas zu ändern.
Das Bild stellt eine gestresste Person an einem unordentlichen Schreibtisch dar, umgeben von Ablenkungen wie einem Fernseher, einem Smartphone und einem Fenster mit hellem Sonnenschein. Diese Elemente symbolisieren die Herausforderungen und Ablenkungen, die mit Prokrastination verbunden sind, und vermitteln ein Gefühl von Angst und Ablenkung.

Kennen Sie dieses Gefühl?

Man nimmt sich etwas vor: die Steuererklärung, Sport, Lernen, die Masterarbeit oder einen Sprachkurs. Innerlich graut es einem schon, wenn man nur daran denkt. Und plötzlich taucht eine verlockende Ablenkung auf – lustige Videos auf Social Media, die nächste Staffel der geliebten Serie, oder man stürzt sich sogar in Aufgaben, die ebenfalls längst erledigt werden mussten, wie Fenster putzen.

Die Liste mit Dingen, die wir lieber tun, anstatt das, was wir uns vorgenommen haben, ist endlos.

Jedes Mal, wenn wir etwas verschieben oder hinauszögern, was wir jetzt erledigen sollten und könnten, wächst das schlechte Gewissen. Die innere Unruhe steigt und schwillt manchmal bis zur Panik an, nur um dann im letzten Moment doch noch fertig zu werden.

Wir nennen das Aufschieberitis oder Prokrastination. Ein Begriff, der zunächst positiv klingt – „PRO“ – und doch für Betroffene oft ein starkes Leiden bedeutet. Daher möchte ich folgende Fragen etwas näher beleuchten:

  • Was ist Prokrastinieren? Was ist es nicht?
  • Wann ist es problematisch?
  • Was sind mögliche Auslöser?
  • Was kann man dagegen tun?

Was ist Prokrastination und was ist es nicht?

Das Wort stammt aus dem Lateinischen pro = für, crastinus = morgig und bedeutet „Aufschieben auf Morgen“. 

Es gibt auch gute Gründe, warum Aufschieben sinnvoll ist, z.B.

  1. Notwendige Erholung: Manchmal braucht unser Körper und Geist eine Pause. Wenn wir ständig unter Druck stehen, kann Prokrastination ein Signal sein, dass wir eine Auszeit brauchen, um uns zu erholen und unsere Energiereserven aufzufüllen.

  2. Kreative Denkpausen: Oft führen Pausen dazu, dass unser Unterbewusstsein an einer Lösung arbeitet. Eine gewisse Zeit des Aufschiebens kann kreative Ideen und neue Perspektiven fördern.

  3. Prioritätensetzung: Manchmal schieben wir Aufgaben auf, weil es wichtigere oder dringendere Dinge gibt, die zuerst erledigt werden müssen. Prokrastination kann also ein Zeichen dafür sein, dass wir unsere Prioritäten richtig setzen.

  4. Informationsgewinn: Es kann sinnvoll sein, eine Entscheidung oder Aufgabe hinauszuzögern, um mehr Informationen zu sammeln oder auf zusätzliche Erkenntnisse zu warten. Dies kann zu besseren Entscheidungen und Ergebnissen führen.

  5. Vorbereitung: Manche Aufgaben erfordern eine längere Vorbereitungszeit. Das bewusste Aufschieben kann genutzt werden, um sich mental und organisatorisch besser auf die Herausforderung vorzubereiten.

Wenn wir vom Prokrastinieren sprechen, dann bedeutet es das Verschieben oder Hinauszögern von Aufgaben, die eigentlich in der Gegenwart erledigt werden könnten und sollten, auf einen späteren Zeitpunkt.

Das bedeutet, dass einen Unterschied zwischen gesundem Aufschieben und destruktiver Prokrastination gibt.

Wann ist Prokrastinieren problematisch?

Beim problematischen Prokrastinieren, also man darunter leidet, ist es wichtig zu wissen, ob es sich um das reine Prokrastinieren oder um eine Auswirkung eines anderen psychischen Leidens handelt. In diesen Fällen muss das andere Leiden behandelt werden, da die Prokrastination dann oft „nur“ ein Symptom davon ist.

Krankhaftes Prokrastinieren

Prokrastination ist kein eigenständiges Störungsbild nach ICD oder DSM, sondern ein Syndrom, also das gemeinsame auftreten von charakteristischen Symptomen. 

Diagnostische Forschungskriterien für Prokrastination (DKP)* im Format des DSM:

In den letzten 6 Monaten wurden sehr wichtige Tätigkeiten an mindestens der Hälfte der Tage über den passenden Zeitpunkt hinaus aufgeschoben, obwohl Zeit für deren Erledigung zur Verfügung stand

Persönliche Ziele wurden durch das Aufschieben stark oder sehr stark beeinträchtigt

(mindestens 3 von 6)
  1. >50% der verfügbaren Zeit mit Aufschieben verbracht
  2. an ≧50% der Tage wurden weniger wichtige Tätigkeiten vorgezogen
  3. Aufgaben verursachten an >50% der Tage Abneigung und Widerwillen
  4. ≧50% der geplanten Vorhaben wurde nur unter großem Zeitdruck oder gar nicht fertiggestellt
  5. Leistungspotenzial um ≧50% beeinträchtigt
  6. mind. fünf der folgenden Beschwerden:
    1. Körperliche Beschwerden
      • Muskelverspannungen
      • Schlafstörungen
      • Herz-/Kreislaufprobleme
      • Magen-/Verdauungsprobleme
    2. Psychische Beschwerden:
      • Innere Unruhe
      • Druckgefühl
      • Gefühl der Hilflosigkeit
      • Innere Anspannun
      • Angst

Die Probleme werden nicht besser durch eine andere Achse-I- oder Achse-II-Störung (akute oder längerfristige psychische Erkrankung) erklärt

*sollen die Identifizierung behandlungsbedürftiger Personen erleichtern und zugleich die Voraussetzungen für Fortschritte in der Erforschung und der Entwicklung von Methoden zur Behandlung von Prokrastination verbessern

Als Symptom anderer Erkrankungen

Ob das Prokrastinieren als alleiniges Problem oder als Symptom einer anderen psychischen Erkrankung vorliegt, können nur Expert*innen feststellen. 

Hier ein paar Beispiele psychischer Leiden, bei denen Prokrastinieren auftreten kann:

Menschen mit Angsterkrankungen vermeiden oft Situationen, die Angst auslösen. Prokrastination kann eine Bewältigungsstrategie sein, um sich vor der Angst zu schützen, indem unangenehme Aufgaben vermieden werden.

Bei depressiven Episoden fehlt häufig die Motivation und Energie, um Aufgaben anzugehen. Dies führt oft zu Prokrastination, da die Betroffenen sich überwältigt fühlen und alltägliche Aufgaben als unüberwindbar empfinden.

Eine Schilddrüsenunterfunktion führt oft zu Müdigkeit, Konzentrationsproblemen und depressiven Verstimmungen, die die Motivation und Fähigkeit, Aufgaben zu erledigen, beeinträchtigen. Diese Symptome verursachen, dass Betroffene sich überfordert fühlen und wichtige Aufgaben aufschieben.

Personen mit ADHS haben Schwierigkeiten mit der Selbstregulation und der Organisation. Dies führt dazu, dass sie Aufgaben häufig aufschieben, da sie leicht abgelenkt werden und Schwierigkeiten haben, Prioritäten zu setzen.

Bei passiv-aggressiven Persönlichkeitsstörungen kann Prokrastination eine Form des Widerstands sein, indem man indirekt gegen Erwartungen rebelliert. Zwanghafte Persönlichkeiten können durch Perfektionismus blockiert werden, wodurch sie Aufgaben aufschieben, bis sie sicher sind, dass sie perfekt ausgeführt werden können.

Substanzmissbrauch kann zu verminderter Motivation und kognitiver Beeinträchtigung führen. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit der Prokrastination, da die betroffenen Personen weniger Antrieb und Fokus haben, um Aufgaben zu bewältigen.

Burnout geht mit emotionaler Erschöpfung und reduzierter Leistungsfähigkeit einher. Betroffene fühlen sich oft überwältigt und unfähig, Aufgaben zu beginnen oder zu beenden, was zu verstärkter Prokrastination führt.

Wenn Sie unter Prokrastination leiden, dann fragen Sie Ihre*n Ärzt*in, eine*n Psychotherapeut*in oder andere*n Expert*innen, um sicher zu stellen, dass es keine anderen Ursachen gibt, die sich auf Ihre Motivation, Konzentration oder Belastbarkeit auswirken.

Was sind die Auslöser bzw. Gründe für Prokrastination?

In der Lerntheorie gehen wir davon aus, dass alles menschliche Verhalten erlernt wurde und einem bestimmten Zweck dient.

Ich vermeide unangenehme Gefühle, 
die mit dem eigentlichen Vorhaben verbunden sind 

und mache lieber etwas anderes, 
was mir kurzfristig angenehme Gefühle verschafft.

Der Psychologische Psychotherapeut Hans-Werner Rückert beschreibt in seinem Buch „Schluss mit dem ewigen Aufschieben“, dass sich Tun und Aufschieben an den Schnittstellen zwischen Persönlichkeit, Motivation und Aufgabe entscheiden:

Persönlichkeit

Bestimmte Persönlichkeitsmerkmale können die Neigung zum Aufschieben begünstigen.

Dazu gehören z.B. Perfektionismus, Angst vor Fehlern oder Erfolg und ein geringes Selbstwertgefühl.

Menschen, die hohe Ansprüche an sich selbst haben und Angst haben, diese nicht zu erfüllen, neigen eher dazu, Aufgaben aufzuschieben, um möglichen Misserfolg zu vermeiden.

Motivation

Die Motivation spielt eine zentrale Rolle bei der Entscheidung, ob eine Aufgabe sofort angegangen oder aufgeschoben wird.

Wenn die Motivation fehlt oder negative Emotionen wie Angst oder Unsicherheit überwiegen, neigen Menschen eher dazu, Aufgaben zu vermeiden.

Motivationale Aspekte wie der Belohnungsaufschub und die Wahrnehmung von Aufgaben als wenig lohnend oder zu schwierig tragen ebenfalls zur Prokrastination bei.

Art der Tätigkeit

Die Art der zu erledigenden Aufgaben beeinflusst ebenfalls das Aufschiebeverhalten.

Aufgaben, die als langweilig, unangenehm oder zu komplex wahrgenommen werden, werden häufiger aufgeschoben.

Der wahrgenommene Aufwand und die Attraktivität der Aufgabe spielen hierbei eine entscheidende Rolle.

Weitere Gründe fürs Aufschieben sind häufig emotionale Erschöpfung und Blockaden, Stress, Über- oder Unterforderung, schlechtes Zeitmanagement, fehlende Struktur, Routinen und Bewältigungsstrategien, unklare Prioritäten und Ziele

Was kann man dem Prokrastinieren entgegensetzen?

Die Forschung und Erfahren und der Psychotherapie zeigen, wie gut Verhaltenstherapie wirkt, um dem ständigen Leiden etwas wirksames entgegenzusetzen. In der Therapie wird dafür am Denken, Fühlen und Verhalten gearbeitet, um nachhaltig eine andere Einstellung zu sich selbst und zu bestimmten Themen zu entwickeln, und damit das Verhalten von Grund auf  zu beeinflussen. Die Schritte sind in der Regel:

  1. Abklärung anderer körperlicher und seelischer Ursachen
  2. Erkennen der eigenen Gewohnheiten und Verhaltensmuster
  3. Akzeptanz & Veränderung in den Bereichen Denken, Fühlen und Handeln
  4. Steigerung des Selbstwert-Gefühls
  5. Identifizieren & Eliminieren von Ablenkungen
  6. Erlernen & Etablieren von Möglichkeiten und Strukturen zum besseren Aufgaben- & Zeitmanagement
  7. Belohnungen  

Zusammenfassung

Prokrastination ist ein vielschichtiges Problem, das nicht allein durch Willensstärke oder Disziplin gelöst werden kann. Stattdessen erfordert es ein Verständnis der zugrunde liegenden psychologischen Mechanismen und die Entwicklung von Strategien, die auf die individuellen Ursachen des Aufschiebeverhaltens abzielen.

Dies kann z.B. durch eine Verbesserung der Selbstregulation, das Setzen realistischer Ziele, die Schaffung einer unterstützenden Umgebung und die Förderung positiver Einstellungen zur Aufgabe erreicht werden.

Es ist wichtig, Prokrastination aus einer ganzheitlichen Perspektive zu betrachten, um effektive Lösungen zu entwickeln. Ein entscheidender Schritt dabei ist auch der Ausschluss von anderen Ursachen.

Wenn Sie Fragen haben, sich beraten oder begleiten lassen möchten, ich unterstütze Sie gerne.

Aufschieberitis überwinden

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