Verachtung und Bewunderung: Starke Gefühle mit gewaltigen Kräften

Verachtung und Bewunderung prägen unsere Beziehungen und Gesellschaft. Wie sie entstehen, welche Folgen sie haben und wie man sie steuert.
Links wird Bewunderung und Anhimmeln gezeigt, während rechts Verachtung und Verteufeln dargestellt sind. Die emotionale Spannung wird durch Licht und Schatten verstärkt.

In letzter Zeit könnte man den Eindruck bekommen, als würden wir uns in gesellschaftlichen Debatten entweder anhimmeln oder verteufeln – ein Schwarz-Weiß-Denken, das kaum Raum für Differenzierung lässt. Je stärker der Wunsch nach Zugehörigkeit zu oder Abgrenzung von einer Personengruppe ist, desto lauter werden Zustimmung oder Ablehnung, oft in überzogener, emotionaler Weise. Viele Menschen scheinen sich zwischen extremer Bewunderung und radikaler Verachtung entscheiden zu müssen, anstatt eine reflektierte, ausgewogene Haltung einzunehmen.

Verachtung und Bewunderung sind zwei der intensivsten menschlichen Gefühle, die in entgegengesetzte Richtungen wirken. Während Verachtung eine abwertende Haltung ausdrückt, in der jemand als minderwertig oder unwürdig betrachtet wird, steht Bewunderung für eine positive Wertschätzung und Hochachtung. Beide Emotionen sind stark sozial und psychologisch geprägt und haben tiefgreifende Auswirkungen auf unsere Beziehungen und unsere Gesellschaft.

Daher möchte ich heute folgenden Fragen etwas nachgehen:

  • Warum bewundern wir manche Menschen und verachten andere?
  • Wie beeinflussen Verachtung und Bewunderung unsere Beziehungen und unser gesellschaftliches Miteinander?
  • Kann Bewunderung genauso gefährlich sein wie Verachtung?

Psychologische Mechanismen von Verachtung und Bewunderung

Verachtung wird oft als eine Mischung aus Wut (weil eine Person als falsch oder unmoralisch wahrgenommen wird) und Ekel (weil sie als abstoßend empfunden wird) beschrieben. Bewunderung hingegen entsteht durch Respekt und Anerkennung, wenn eine Person als besonders kompetent, tugendhaft oder inspirierend wahrgenommen wird.

Beide Emotionen werden oft von Denkfehlern begleitet:

Fundamentaler Attributionsfehler:

Menschen neigen dazu, negativen oder positiven Eigenschaften eine dauerhafte Bedeutung beizumessen („Er ist faul und wird es immer sein“ vs. „Sie ist klug und wird immer erfolgreich sein“).

Eine Person wird entweder als bewundernswert oder als verachtenswert betrachtet, ohne differenzierte Wahrnehmung.

Verachtung kann dazu führen, dass jemand als weniger wertvoll betrachtet wird, während Bewunderung zur Idealisierung und Überhöhung einer Person führen kann.

Menschen neigen dazu, Informationen selektiv wahrzunehmen, die ihre bestehende Meinung über eine Person bestätigen, wodurch sich Verachtung oder Bewunderung verstärken kann.

Einzelne positive oder negative Eigenschaften werden auf die gesamte Person übertragen, sodass entweder eine übermäßig positive (Halo-Effekt) oder negative (Horn-Effekt) Wahrnehmung entsteht.

Verachtung und Bewunderung in sozialen Beziehungen

Beispiel: In einer romantischen Beziehung kann es vorkommen, dass eine Person ihren Partner anfangs idealisiert, ihn bewundert und auf ein Podest stellt. Doch mit der Zeit, wenn Fehler und Schwächen sichtbar werden, schlägt diese Bewunderung manchmal in Verachtung um. Die gleichen Eigenschaften, die einst faszinierten, werden plötzlich als störend empfunden. Dieses Muster zeigt sich nicht nur in Liebesbeziehungen, sondern auch in gesellschaftlichen oder beruflichen Kontexten.

Doch auch in anderen Kontexten, im Beruf, in der Politik oder in Kunst und Kultur kann anfängliche Bewunderung in Verachtung kippen. 

In persönlichen Beziehungen

Verachtung ist ein toxischer Faktor in Partnerschaften und Freundschaften. Der Psychologe John Gottman hat in Studien gezeigt, dass Verachtung einer der Hauptprädiktoren für Trennungen ist.

  • Typische Zeichen: Sarkasmus, Augenrollen, Spott, abfällige Bemerkungen.
  • Auswirkungen: Verachtung senkt das Selbstwertgefühl des anderen, schafft emotionale Distanz und verhindert Versöhnung.

Bewunderung hingegen kann eine Beziehung vertiefen und stärken. Sie fördert Wertschätzung und Respekt, was sich positiv auf die emotionale Verbindung auswirkt.

In der Gesellschaft

Verachtung kann gesellschaftliche Spaltungen vertiefen. Sie zeigt sich in:

  • Politischer Polarisierung („Diese Leute sind dumm und unfähig!“)

  • Sozialer Stigmatisierung (Verachtung gegenüber bestimmten Gruppen, z. B. Obdachlosen oder Andersdenkenden)

  • Diskriminierung (z. B. aufgrund von Geschlecht, Herkunft oder sozialem Status)

Bewunderung kann jedoch ebenfalls problematische Seiten haben, wenn sie zur unkritischen Idealisierung führt. Prominente oder Politiker können durch übermäßige Bewunderung unantastbar erscheinen, selbst wenn sie Fehler machen. Ein reflektierter Umgang mit Bewunderung hilft dabei, Menschen differenziert zu betrachten.

Auswirkungen von Verachtung und Bewunderung

Individuelle Folgen

  • Verlust von Empathie durch Verachtung: Wer verachtet, kann sich kaum in das Gegenüber hineinversetzen.
  • Soziale Isolation: Verachtung führt oft zur Ablehnung durch andere.
  • Emotionale Belastung: Sowohl für den Verachtenden als auch für die verachtete Person kann das Gefühl enorm belastend sein.
Bewunderung hingegen kann das eigene Selbstbild stärken und positive soziale Bindungen fördern. Allerdings kann sie auch zu Enttäuschungen führen, wenn sich herausstellt, dass die bewunderte Person nicht den hohen Erwartungen entspricht.

Gesellschaftliche Folgen

  • Spaltung statt Dialog durch Verachtung: Verachtung erschwert Versöhnung und konstruktive Debatten.
  • Radikalisierung: Gruppen, die sich verachtet fühlen, entwickeln oft eine Gegenhaltung oder verhärten ihre Ansichten.
  • Verfestigung von Feindbildern: In der Geschichte führte Verachtung oft zu Gewalt, Diskriminierung oder sogar Kriegen.

Auf der anderen Seite kann Bewunderung zu einer positiven gesellschaftlichen Dynamik führen. Inspirierende Persönlichkeiten können als Vorbilder dienen und gesellschaftlichen Wandel vorantreiben. Dennoch ist es wichtig, Bewunderung nicht blind walten zu lassen, sondern sie mit kritischem Denken zu kombinieren.

Wie kann man Verachtung abbauen und Bewunderung reflektieren?

Selbstreflexion

  • Welche Urteile stecken hinter meiner Verachtung oder Bewunderung?
  • Ist meine Sichtweise zu einseitig oder unfair?
  • Könnte ich die Situation auch anders sehen?

Perspektivenwechsel und Empathie

  • Die Biografie oder die Umstände der anderen Person verstehen.
  • Erkennen, dass Menschen sich ändern können.
  • Fragen stellen statt vorschnell zu urteilen.

Förderung von Respekt und kritischer Bewunderung

  • Unterschiedliche Meinungen zulassen und hinterfragen.
  • Den Fokus auf Gemeinsamkeiten legen.
  • Auf Augenhöhe kommunizieren, ohne herablassend zu sein.
  • Bewunderung reflektieren: Ist sie gerechtfertigt oder übertrieben?

Fazit

Verachtung und Bewunderung sind zwei Seiten derselben Medaille. Beide basieren auf Bewertungen anderer Menschen. Während Verachtung trennt und Beziehungen zerstören kann, fördert Bewunderung Nähe und Anerkennung. Doch auch Bewunderung sollte reflektiert werden, um blinde Idealisierung zu vermeiden.

Ein bewusster Umgang mit beiden Emotionen kann zu einer offeneren und respektvolleren Gesellschaft führen. 

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