Zwischen Ohnmacht und Radikalität

Viele Beiträge in meiner Timeline berühren mich.
Gleichzeitig lassen sie mich hilflos zurück.

In den Posts geht es oft um Schmerz, Frust, Enttäuschung –
über Systeme, Strukturen, Erfahrungen.

Dann spüre ich diesen Impuls, etwas dazu zu sagen – oder wenigstens zu liken.
Doch immer öfter lasse ich es.

Was mir auffällt:
Es fehlt zunehmend die Mitte.

Immer wieder wird das alte Drama-Dreieck bedient:
Täter – Opfer – Retter.

🧱 Auf der einen Seite: Sogwirkung durch Anklage, Ohnmacht, + Hilflosigkeit
„Ich kann nichts tun.“
„Das System ist kaputt.“
„Alles ist toxisch.“

🔥 Auf der anderen Seite: Druck durch Radikalität, Helfer-Syndrom + Verurteilung
„Dann muss eben alles weg.“
„Wer nicht mit uns ist, ist Teil des Problems.“
„Nur klare Kante hilft noch!“

🫥 Und dazwischen? Wird’s still. Ein Vakuum.
Die leisen Stimmen, die differenzieren, aushalten, einladen – gehen oft unter.

Auch, weil die sozialen Netzwerke unser impulsives Nervensystem belohnen –
nicht das Aushalten unangenehmer Gefühle.

👉 Social Media verkommt zunehmend zum seelischen Mülleimer.
Entweder man hält mit, hält dagegen – oder zieht sich zurück, weil’s zu viel wird.

🧠 Dahinter steckt oft eine kollektive kognitive Dissonanz:
Wir wollen Verbundenheit – aber schieben Verantwortung ab.
Wir fordern Veränderung – aber bleiben in alten Mustern.
Wir sehnen uns nach Haltung – aber reagieren impulsiv.

Diese Spannung macht viele mürbe.
Und wer sie nicht regulieren kann, driftet in Radikalität – oder in Rückzug.

🎯 Was hat das für Konsequenzen:
weniger Verbundenheit, mehr Abgrenzung
weniger Balance, mehr Impulsivität
weniger Handlungsräume, mehr Schnellschüsse
weniger Pluralität, mehr Rechthaberei
weniger Lust, mehr Last

🤔 Vielleicht sollten wir uns öfter fragen:
Will ich nur betroffen machen – oder etwas bewegen?
Will ich mich nur entlasten – oder wirksam sein?
Dient mein Beitrag der Polarisierung – oder echter Verbindung?

Ich sitze immer wieder da und überlege, ob ich überhaupt noch kommentiere.

Manchmal gebe ich dem Impuls nach – aber immer öfter lasse ich es.
Ich will der Polarität keine weitere Bühne geben.

Wenn überhaupt, dann nur um daran zu erinnern,
dass wir in ständiger Dualität leben –
aber darin nicht untergehen müssen.

🍀 Gelingt mir das immer? Nein.

🌱 Aber ich versuche, besser darin zu werden –
und freue mich über alle, die mitmachen.

Denn sonst wird Social Media zur Bühne für ein kollektives Drama –
in dem nur noch die Menschen mitspielen, die wenig Empathie und Verständnis für eine plurale Gesellschaft aufbringen.

Und das halte ich für ein echtes Problem.

🚀 Wie erlebst du das? Wie gehst du damit um?

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