Einige Posts in meiner Timeline beeindrucken mich.
Einige nerven mich auch. Ich lese sie trotzdem.
Weil ich auf den ersten Blick nicht unterscheiden kann:
Will da jemand wirklich etwas bewegen – oder nur beklatscht werden?
In den Posts geht es oft um vermeintliche Tiefpunkte, Wendepunkte, Durchbrüche – verpackt in perfekt getaktete Dramaturgie.
Dann spüre ich diesen Impuls, auch etwas zu teilen – etwas von mir, etwas Echtes. Oder zu irritieren, zu provozieren, weil mir die Echtheit fehlt.
Was mir auffällt:
Es fehlt zunehmend an echter Tiefe und Unvollkommenheit.
Immer wieder wird das gleiche Skript abgespult:
Struggle – Aha-Moment – Heldentum.
🎭 Auf der einen Seite: Hochglanz-Authentizität mit Pathos und perfektem Timing
„Ich war am Boden – jetzt bin ich unverwundbar.“
„Das war mein schlimmster Moment – und zugleich mein größter Durchbruch.“
„Hier ist meine verletzliche Geschichte – mit Happy End in fünf Schritten.“
🤹♀️ Auf der anderen Seite: Meta-Kommentare, die sich über das alles erheben
„Ich mach das Spiel nicht mit.“
„Ich poste lieber nichts – alles ist eh Inszenierung.“
„Wer sich zeigt, will nur gesehen werden und ist narzisstisch.“
🫥 Und dazwischen? Wird’s dünn. Ein Niemandsland.
Die echten Zwischentöne. Die Menschen, die teilen, ohne zu performen.
Die Fragen stellen, ohne zu missionieren.
Die sich zeigen, ohne sich zu verkaufen.
Denn soziale Netzwerke verwechseln Wirkung oft mit Reichweite –
und belohnen selten das Leise, das Differenzierte.
🧠 Dahinter steckt oft ein innerer Drahtseilakt:
Wir wollen uns zeigen – aber nicht zu privat wirken.
Wir wollen Haltung zeigen – aber nicht ins Pathos abrutschen.
Wir wollen Resonanz – aber ohne uns anzubiedern.
Und genau deshalb sagen viele lieber gar nichts.
➡️Diese Spannung ist anstrengend.
Und wer sie nicht gut halten kann, pendelt zwischen Überinszenierung – und Verstummen.
🎯 Was hat das für Konsequenzen:
weniger Vertrauen, mehr Skepsis
weniger Mut zur Mitte, mehr Entweder-Oder
weniger Substanz, mehr Dramaturgie
weniger Echtheit, mehr Imagepflege
weniger Dialog, mehr Performance
🤔 Vielleicht sollten wir uns öfter fragen:
Will ich mich zeigen – oder etwas darstellen?
Will ich berühren – oder beeindrucken?
Will ich verbinden – oder gewinnen?
Ich überlege oft, ob und wie ich mich zeigen will.
Wem dient das? Was soll es in anderen auslösen?
Wenn überhaupt, dann will ich schreiben,
um Raum zu machen für das, was nicht perfekt ist.
Für das, was sich zeigt, ohne Show.
Für das, was bleibt – auch ohne Applaus.
🍀 Gelingt mir das immer? Nein.
🌱 Aber ich versuche, dabei zu bleiben –
und freue mich über alle, die das Dazwischen lebendig halten.
Denn sonst wird Sichtbarkeit zur Simulation –
und das wäre schade. Für alle, die wirklich was zu sagen haben.
🚀 Wie gehst du mit dieser Spannung um? Wann fühlst du dich sichtbar – und echt zugleich?